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Route des Grandes Alpes, vom Genfer See ans Mittelmeer (30.06.-03.07.2007)

Samstag, 30. Juni 2007, 19:58 Uhr: Der Blick schweift über den Genfer See und weiter zu den mitgereisten Clubkameraden, die alle ausgelassen beim Abendessen sitzen. Endlich war es soweit: Morgen würde die Tour über die „Route des Grandes Alpes“ beginnen. 760 Kilometer vom Genfer See bis an die Cote d´Azur - über 15 Pässe mit zusammen 23.000 Höhenmetern. Der ADAC nannte sie in seinem Reisführer von 1986 die „Tour der Superlative“.

Doch zurück wie alles begann: Bei einer Tasse Kaffee und einem Stück Kuchen im Januar 2003 zeigte mir mein Freund Günter Dias von seinen Touren Ende der 50er, Anfang der 60er Jahre. Wirtschaftswunderzeit! Die meisten Pässe waren noch geschottert und Reisen durchs Hochgebirge waren noch echte Abenteuer. Besonders die Route des Grandes Alpes hatte es mir angetan und so begannen die ersten Planungen. Im Juni 2003 nahm ich die Tour alleine unter die Räder und mir war sofort klar: Das wird eine Tour für den Club. Immer wieder jedoch kam etwas dazwischen und so verstrichen vier Jahre, bis der Porsche wieder auf „die Route“ durfte.

Sonntag, 1. Juli 2007, 8:30 Uhr, strahlender Sonnenschein: Zündschlüssel gedreht und der Boxer erwacht zum Leben. Der erste Tag war locker geplant. Vom schweizerischen Teil des Genfer Sees wechselten wir auf die südliche Seite zum Beginn der Grandes Alpes in Thonon-les-Bains. Von da ging es über die D902 (damals die N202) über Sallanches nach Val d´Isère. Knapp siebeneinhalbtausend Höhenmeter und vier Pässe standen auf dem Programm wobei die N902 in diesem Bereich sehr gut ausgebaut ist. Eigentlich hätte jedermann nach Roadbook fahren können, doch alle bevorzugten das cruisen im Konvoi. Die Cabrios fuhren natürlich offen und die Coupes hatten zumindest die Fenster offen. Den Streckenabschnitt Cluses – Sallanches fuhren wir selbstverständlich nicht über die Autobahn, sondern über die N205 durch das Arve- Tal welches sich immer mehr weitet und schließlich den Blick auf den „Monarchen“ freigibt: Den 4.810 Meter hohen Mont Blanc.

Bei Salanches ging es zunächst zu unserem Mittagstop nach Cordon wo wir im Le Cordonant vorzüglich speisten und den Mont Blanc von der Terrasse aus bewundern konnten. Danach folgten wir der „provisorischen“ Streckenführung der Grandes Alpes nach Megève. Die ursprüngliche Streckenführung die der „Touring Club de France“ 1912 vorgesehen hatte sollte über den 2.329 Meter hohen „Col du Bonhomme“ führen und die Orte „Saint Gervais les Bains“ und „Les Chapieux“ verbinden. Dieses ehrgeizige und kostspielige Bauvorhaben ist jedoch nie verwirklicht worden und so endet die große D902 in Les Contamines im Nichts.

Unser Weg führte uns daher von Megeve über Notre-Dame-de-Bellecombe nach Beaufort. Von Beaufort gibt es zwei Möglichkeiten um zum Lac de Roselend zu kommen. Die eine Route folgt der D218 über Arêches, die andere der D925. Die Tourvorbereitungen ergaben: Wer sich auf drei Meter breiten geteerten Feldwegen ohne Ausweichmöglichkeiten wohlfühlt und auch nichts dagegen hat, bei entgegenkommenden Fahrzeugen rückwärts Serpentie um Sepentiene zurückzufahren, der fühlt sich auf der D218 pudelwohl. Beifahrer genießen zudem das Gefühl, den größten Teil dieser Strecke freischwebend zurückzulegen. Wir nahmen also die andere Route über die gut ausgebaute D925. Ein optimistischer Gasfuß sorgte für zügige Fortbewegung und Musik aus den Auspuffrohren. Das fröhliche Geschrei der sechs Brennräume kündigte unser Eintreffen am Lac de Roselend allerdings so frühzeitig an, daß zufällig dort pausierenden Polizisten genügend Zeit hatten, sich in Richtung Straße zu begeben und uns mit eindeutigen Handbewegungen klar machten, dass wir nun genug Spaß gehabt hatten. Beim Anblick unserer Autos huschte jedoch ein flüchtiges Grinsen über ihre Gesichter und wir wurden durchgewunken. Na, da ist noch mal alles gut gegangen.

Am See machte die Ausreißergruppe erst einmal ein kurzes Päuschen und genoss die Stille nach Verstummen der Motoren. Nachdem wir dem beeindruckenden Panorama Tribut gezollt hatten und der Peloton wieder aufgeschlossen hatte, ging es wieder auf die Piste. Kurz hinter dem Cormet de Roselend verwandelte sich die D925 ohne Ankündigung wieder in die historische D902. Lediglich ein kurzes Flackern auf dem Navigationssystem und aus 925 wurde 902. Unser heutiges Etappenziel Val d´Isère rückte näher. Auf dem Weg dorthin verfinsterte sich der Himmel jedoch zunehmend, es wurde kälter und am Abend in Val d´Isere fing es schließlich an zu regnen. Nun ja, an der Hotelbar hatte man davon nichts mitbekommen und feierte ausgelassen.

Montag, 2. Juli, 9:30 Uhr: Wir hatten lausiges Wetter. Es regnete und tief hängende Wolken waberten durch Val d´Isere. Aber wir klagten nicht, denn unsere Kollegen vom Rolls Royce Club hatten da bedeutend schlechtere Karten. Da Rolls Royce sein 100- jähriges Bestehen feierte, waren zahlreiche Oldtimer aus aller Welt angereist (Neuseeland und USA waren auch dabei!), um dieses Ereignis mit einer Fahrt durch die Alpen zu begehen. In den zum Teil fast 100 Jahre alten Autos war das Fahren unter solchen Umständen nun wirklich nichts für Warmduscher. Auf dem Weg zu unserem nächsten Etappenziel mußten wir als erstes den 2.770 Meter hohen Col de l´Iseran überwinden. Oben angekommen wurden wir von Schneeregen und Nebel begrüßt; da hieß es, nix wie weg. Der Abstieg verlangte dann auch äußerste Disziplin im Gasfuß: Nebel, schlechte Sicht, Schneeregen, keine Leitplanken, derbe Absturzmöglichkeiten. Zudem hatten die zum Teil in aller Herrgottsfrühe gestarteten Rolls Royce die Strecke mit einem fast durchgehenden Ölteppich überzogen. Das schlechte Wetter drückte etwas auf die Stimmung, doch es gab Hoffnung: In der Regel hört das schlechte Wetter spätestens am Col du Galibier auf, der Wetterscheide zwischen alpinem und mediterranem Klima. Und so kam es auch. Das Wetter wurde zusehendes besser und bereits die Fahrt zum davor liegenden Col du Telegraph verlief bei strahlendem Sonnenschein.

Der weitere Streckenverlauf zwischen Valloire und dem Col du Galibier war einer der landschaftlichen Highlights der Tour.

Die riesigen Geröllhalden mit karger Vegetation sind ein einmaliges Naturschauspiel, welches wir so noch nicht gesehen hatten.

Am Col du Galibier machten wir einen Photostop um dann am darunter liegenden Col du Lautaret unsere Mittagspause zu machen. Die Damen hatten bereits in Modane für ein Picknick eingekauft. Ferdi hatte in seinem Cayenne noch ein Plätzchen für Champagner gefunden und so fand im Jardin Alpin ein tolles Picknick unter blauem Himmel und Schäfchenwolken statt. Anschließend ging es im Konvoi weiter nach Briancon. Ein Blick in den Rückspiegel zeigte acht Porsche mit dem mächtigen Cayenne als Schließendem. Ferdi hatte sich angeboten als letzter zu fahren. Sah ich Ferdi im Cayenne wußte ich, daß wir alle beisammen waren. Sollte unterwegs ein Boxster oder 911er ein Gebrechen haben: Heckklappe vom Cayenne auf, defekter Porsche rein und weiter ging es. Soviel kann bereits gesagt werden: Alle Teilnehmer erreichten das Ziel auf eigenen Rädern und die Heckklappe blieb zu.

Im Tourverlauf hatte sich das Team gut aufeinander eingespielt. Wer schnell fahren wollte ging an die Spitze. Auf dem Weg zu den Pässen konnten sich die schnellen austoben und oben trafen sich dann alle wieder. Viel Zeit haben die Vorausfahrenden sowieso nicht herausgeholt. So auch wieder auf dem Weg von Briancon zum Col de Izoard. Ich hatte noch die Schotterpisten und die hinaufkrabbelnden Käfer aus den sechziger Jahren vor Augen. 40 Jahre und 400 PS später flogen wir nur so die Trasse hinauf, vorbei an der „Refuge Napoléon“ zum Col de Izoard.

Wenige Augenblicke später war auch der Cayenne angekommen. Ferdi: “Hartmut, ich muß tanken, bin fast alles im ersten Gang gefahren!“ Okay, Tankstops waren ausreichend eingeplant. Hinunter ging es in die Guill-Schluchten nach Guillestre, einem besonders schönen und kurvigen Streckenabschnitt auf teilweise winzigen Straßen.

Hinter Guillestre ging es dann zum Col de Vars. Die Strecke zum Col de Vars war wieder hervorragend ausgebaut: Turbozeit! Romuald im zweiten Turbo und Dieter im Sauger folgten als zügige Begleiter. Unser Etappenziel rückte in greifbare Nähe: Jausier. In schöner Umgebung gaben Adrian und Alexandra ihre Verlobung bekannt; somit gab´s wieder was zu feiern und spätestens jetzt war die Tour dann auch etwas ganz besonderes.

Dienstag, 3. Juli: Heute stand uns der knackigste Tag bevor. Die Tourplanung bot die Möglichkeit, bei Guillaumes der historischen Route des Grandes Alpes durch die Daluisschluchten zu folgen, oder die neue Route über weitere Pässe inklusive dem Col de Turini zu wählen. Die historische Route mündete jedoch in der Nähe von Entrevaux in der N202, die schlussendlich autobahnähnlich ausgebaut in Nizza endete. Autobahn wollte jedoch niemand und so wählten alle den Umweg. Und das nachdem die Fahrt zum Col de la Cayolle durchaus als abenteuerlich zu bezeichnen war. „Die Breite der staubfreien Fahrbahn schwankt zwischen 2,5 und 4,5 m. In der Bachelardschlucht nur einbahnig mit Ausweichstellen.“ schreibt der Große Alpen Straßen Führer aus dem Jahre 1963. Wir können bestätigen, daß der über 40 Jahre alte Alpenführer zumindest an dieser Stelle nichts an Aktualität eingebüßt hat. Wäre uns hier ein Fahrzeug entgegengekommen…, wir hätten uns wohl ineinander verkeilt. Landschaftlich ist diese Strecke jedoch beeindruckend und so ging es durch diesen einsamen Streckenabschnitt wobei wir kräftig durchgeschüttelt wurden, denn auch der Fahrbahnbelag war ganz bestimmt noch echte 60er-Jahre Wertarbeit. Erst nach dem Col de la Cayolle wurden die Straßen besser. Wenig befahren war es noch bis Guillaumes, wo wir die alte Route verließen und nach links in Richtung Valberg abbogen und dem Ruf der neuen „Grandes Alpes“ mit zahlreichen weiteren Pässen folgten. Nach einer Mittagspause in Valberg folgten wir dem Straßenverlauf in östlicher Richtung nach Saint-Martin-Vesubie.

Abwechslungsreiche Landschaften mit zeitweise herrlichen Aussichtspunkten bei schönem Wetter ließen uns diesen Abschnitt genießen, wobei jedoch auf den zeitweise sehr gut ausgebauten und übersichtlichen Abschnitten immer wieder mal richtig Gas gegeben werden konnte. Ein paar Kilometer hinter Saint-Martin erreichten wir den Col de Turini. Auf dem letzten Streckenabschnitt zwischen dem Col de Turini und Nizza schieden sich die Geister; während die einen diesen wegen seiner mediterranen Landschaft und malerischen -zum Teil engen- Streckenverlauf zum schönsten Abschnitt erklärten, waren andere wegen der mäßigen Straßenqualität wenig begeistert, doch dafür ordentlich durchgeschüttelt worden.

Einig war man sich jedoch wenige Kilometer später über den phantastischen Blick von der Grande Corniche auf die Côte d`Azur. Alle genossen die kurze Pause und bereiteten sich auf die letzten Kilometer bis nach Nizza vor, wo wir auf der Promenade des Anglais unser Ziel erreichten.

Der ADAC-Reiseführer sprach uns aus der Seele: „La Route des Grandes Alpes“, die Tour der Superlative.

Hartmut Dägling


30.06.2007